Hans Calmeyer sollte als »Rassereferent" über Fälle unklarer Abstammung entscheiden: War er Mittäter oder Widerständler?
Der Anwalt Hans Calmeyer (1903–1972) entschied als Beamter der deutschen Besatzungsverwaltung in den Niederlanden täglich über Leben und Tod: Nach der NS-Rassenpolitik sollte er »rassische Zweifelsfälle" klären. »Arier" oder Jude? Was zugleich bedeutete: Rettung oder Deportation. In ihrer Verzweiflung erfanden tausende Verfolgte neue Abstammungsgeschichten. Der Jurist hätte diese »Zweifelsfälle" in Holland genauso entscheiden müssen wie die Behörden in Berlin. Tatsächlich legten seine Mitarbeiter und er andere Maßstäbe an und versuchten, einzelne, aber auch ganze Gruppen vor der Verfolgung zu bewahren — auch Anne Franks beste Freundin.
Dennoch ist Calmeyer bis heute umstritten: »Schindler oder Schwindler?" titelte der »Stern". 1992 nahm ihn Yad Vashem unter den »Gerechten unter den Völkern" auf. Andere sehen in ihm ein funktionierendes Rädchen im Getriebe der Mordmaschinerie. Mathias Middelberg legt an konkreten Fällen die Handlungsweisen und -spielräume des »Rassereferenten" dar. — Wer war dieser Hans Calmeyer? War er Mittäter oder Widerständler?